Dieser eine Moment – und dann geht es „Schnapp“

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Wie viele Hundebisse passieren eigentlich?

Verlässliche Hundebissstatistiken gibt es weder in Deutschland noch in Österreich. In Deutschland liegt das liegt daran, dass es für Bisswunden keine Meldepflicht gibt, in Österreich wird nur gezählt, wenn im Krankenhaus behandelt wird, denn dann muss eine Bissverletzung gemeldet werden. Man schätzt also. Das „Deutsche Ärzteblatt“ geht von einer Zahl zwischen 30.000 und 50.000 Bissverletzungen aus, angeblich beißen Rüden häufiger Hündinnen. In Österreich lag die letzte offizielle Schätzung (2018) bei etwa 3.000 Bissen. Im „Deutschen Ärzteblatt“ ist auch zu lesen:

„Die meisten der gemeldeten Bisse sind auf Hunde zurückzuführen, gefolgt von Katzenbissen. Selten finden sich sogar Bisse durch Menschen. Jedes dritte Bissopfer ist ein Kind zwischen sechs und 17 Jahren und ein Viertel aller Bisswunden erleiden Kinder unter sechs Jahren. Bei jüngeren Kindern beißen Hunde besonders oft in den Hals-Kopf-Bereich, bei älteren in Arme und Beine. In den Statistiken tödlicher Bissattacken dominieren unter anderem Schäferhunde, Bullterrier und Rottweiler. Es sterben pro Jahr eine bis sechs Deutsche an den Folgen eines Hundebisses.“

(Quelle: Deutsches Ärzteblatt)

Die Wahrscheinlichkeit, dass man auf der Straße plötzlich von einem wildfremden Hund angefallen wird, ist allerdings sehr gering. 90 Prozent der Beißopfer kennen den angreifenden Hund, er ist entweder der eigene oder ein Nachbarshund. Außerdem – zu den meisten Bissen kommt es nicht, weil die Hunde besonders aggressiv wären, meist mangelt es Hundehalter und Opfer einfach an Wissen über Hunde.

Kinder als Opfer

Kinder sind gefährdet, in Österreich, zum Beispiel, sind jährlich rund 125.000 Kinderunfälle zu verzeichnen. Jede zweite bis dritte Woche stirbt ein Kind an den Folgen eines Unfalls. Mehr als die Hälfte aller Kinderunfälle ereignet sich im privaten Bereich, also in der Wohnung, beziehungsweise im Haus oder im Gartenbereich. Hundebisse gehören zu den extrem seltenen Arten von Kinderunfällen aber sie passieren. In Österreich werden jedes Jahr rund 800 Kinder von Hunden gebissen. Das sagt jedenfalls eine aktuelle Erhebung (2020) des Grazer Forschungszentrums für Kinderunfälle. Wenn man das zu den jährlichen 125.000 Kinderunfällen in Relation setzt, sind das gerade einmal 0,64%.

Bereits vor 10 Jahren veröffentlichte das „vet-magazin“ eine interessante Studie zum Thema Hundebisse bei Kindern. Im Rahmen dieser „Hundebiss-Studie“, die damals im Kinderunfall-Forschungszentrum erstellt wurde, hat man insgesamt 341 Unfälle und 5.873 Akten aus dem städtischen Hunde-Register untersucht. Die Quintessenz der damaligen Studie war, dass Schäferhund, Dobermann und Spitz am häufigsten in Unfälle mit Kind verwickelt sind und dass 73% der Fälle durch einen, dem Kind bekannten, Hund verursacht wurden. 73% der gebissenen Kinder waren unter 10 Jahre alt. Kopf und Hals waren am häufigsten betroffen.

Hundebisse sind multifaktoriell

Damit es zu einem Unfall kommt, müssen mehrere „unglückliche Umstände“ zusammenkommen. Das Bild „Hunde fressen kleine Kinder“ ist falsch, sehr selten hat der Hund eine echte Beschädigungsabsicht. Meist ist es der Versuch, sich, durch „Abschnappen“, Distanz zu verschaffen. Seltener wird, aufgrund von Bewegung und Geräusch, der Beutetrieb ausgelöst. Ganz selten geraten Kinder zwischen raufende Hunde.

Häufigste Ursache ist, dass Kinder Hunde bedrängen und sämtliche Warnzeichen ignorieren, bis der Hund sich schließlich mit seinen Zähnen Distanz verschafft. Das kann passieren, wenn Kinder unbeaufsichtigt mit dem Hund zusammen sind. Es kann aber auch unter Aufsicht stattfinden, wenn die Aufsichtsperson den Hund nicht richtig lesen kann und sämtliche Warnsignale als „lieb“ oder „lustig“ fehlinterpretiert. Kleine Kinder können Hunde grundsätzlich nicht lesen, die dazu nötigen, kognitiven Fähigkeiten, fehlen ihnen noch.

Eine weitere, nicht zu unterschätzende Ursache, ist das, dem Hund angeborene, Beuteverhalten in Kombination mit sich schnell bewegenden Kindern. Hunde reagieren auf Bewegungsreize, das Kind kann dann zur „Beute“ werden. Aus einem Beutespiel kann Ernst werden.

Es liegt immer an den erwachsenen Aufsichtspersonen, Situationen mit Gefahrenpotential rechtzeitig zu erkennen und aufzulösen. Dazu bedarf es aber einer ausreichenden Wissensgrundlage. Wer eine Gefahr nicht erkennt, kann sie auch nicht vermeiden.

Es passiert relativ wenig aber trotzdem zu viel

Zur Erinnerung, wir sprechen bei Hundebissen von einem Anteil von 0.64% an Kinderunfällen, wir reden aber trotzdem über 800 Unfällen pro Jahr. Die meisten davon wären vermutlich sehr leicht zu vermeiden. Für Prävention braucht es aber Wissen und dieses scheint nicht ausreichend vorhanden zu sein. Hier wäre der Gesetzgeber gefragt ein funktionelles Bildungsangebot, in Kombination mit besseren gesetzlichen Grundlagen, anzubieten.

Kinder müssen (wieder) lernen, wie man mit Hunden richtig umgeht und auch bei den Erwachsenen dürfte das Bild vom Hund etwas verzerrt sein. Anders sind die letzten Vorfälle, wo Kinder von Hunden gebissen wurden, nicht zu erklären.

Werbung und Internet tragen zur Realitätsverzerrung bei

Die Werbung suggeriert ein Bild vom permanent freundlichen, immer spielbereiten, kinderliebenden Hund. Dieser Hund müsste aus Stoff sein um dieser Erwartungshaltung zu genügen. Hunde sind Tiere, sie haben gute und sie haben schlechte Tage. Sie haben Distanz-und Ruhebedürfnisse. Hunde sind, auch wenn sie gut an den Menschen angepasst sind, Raubtiere und Beutegreifer. Sie sind großartige Begleiter aber sie müssen in ihrer Natur respektiert werden.

Im Netz finden sich unzählige Bilder und Videos, die Kind und Hund darstellen. Sehr oft in Situationen, die klar zeigen, dass der Hund bereits am Limit seiner Toleranz ist und trotzdem weiter bedrängt wird. Kommentare zu diesen Bildern lassen vermuten, dass der Hund als Babysitter missbraucht wird oder ganz einfach als Spielzeug für ein Kind angeschafft wurde. Hunde werden, für Inhalte auf sozialen Medien, als Objekt der Belustigung vergewaltigt.

Das verzerrt das Bild vom Hund und erzeugt eine unrealistische Umgangsweise mit Vierbeinern. Die Folge davon sind Unfälle. Wenn dem Hund alle anderen Argumente ausgehen, dann hat er nur noch seine 42 Zähne, die er zum Einsatz bringen kann.

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