In Wien tut sich etwas, denn der Widerstand gegen Qualzucht und damit gegen die (tierquälerische) Zucht von „Moderassen“, wie Mops&CO, wächst. Die Tierschutzombudspersonen Österreichs fordern nun die dazu dringend nötige Gesetzesänderung. Außerdem geht die internationale Qualzucht-Plattform QUEN online. Das Argument „ich hab es nicht gewusst“ wird damit obsolet. Wer sich nun einen Hund anschafft, der einer jener Rassen angehört, die als Qualzucht gelistet sind, kann sich nun nicht mehr auf einen Mangel an Information berufen. Menschen, die sich zum Beispiel einen Mops anschaffen, nehmen bewusst in Kauf, dass dieser Hund Zeit seines Lebens leiden wird. Denn an Aufklärung mangelt es nicht (mehr). Der Mops gehört zu den Rassen, die als Qualzucht deklariert sind. Ähnliches gilt für Französische Bulldoggen.
Quinny kriegt keine Luft
Sie kann kaum atmen, muss sich während des Essens übergeben und erstickt beinahe, wenn sie versucht, im Liegen zu schlafen. Quinny, die kleine Französische Bulldogge, ist das Ergebnis einer Qualzucht. Die Züchtung von Tieren, bei denen absehbar ist, dass diese Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst erleben, ist in Österreich verboten. Dennoch findet sie statt. Und ein Ende ist mit den derzeit geltenden Regelungen nicht in Sicht. „Generationen von Tieren sind dem Leid schutzlos ausgeliefert“, warnen die Tierschutzombudspersonen Österreichs und fordern konkrete Gesetzesänderungen. Eine neue Datenbank bietet außerdem umfangreiche Informationen zu den Folgen der einzelnen Defekte.
„Es kann nicht sein, dass wir in Österreich ein Qualzucht-Verbot im Tierschutzgesetz haben, das durch bestimmte Maßnahmen jedoch tagtäglich und dauerhaft umgangen werden kann“
TOW Wien
Aktuell gilt: Mit an Qualzuchtmerkmalen leidenden Tieren darf weiterhin gezüchtet werden. Die Züchter*innen müssen laut § 44 Abs. 17 Tierschutzgesetz lediglich nachweisen, dass sie die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Nachkommen durch züchterische Maßnahmen oder entsprechende Programme reduzieren und beseitigen. Problematisch an dieser Regelung: Ein Zeitpunkt, bis wann das gewünschte Ziel der Verhinderung von „Qualzuchten“ erreicht werden sollte, ist nicht genannt. Das bedeutet, dass die Dokumentationen und Maßnahmenprogramme unbegrenzt fortgeführt werden können.
Änderungen sind dringend notwendig
„Dieser Paragraph im Tierschutzgesetz muss dringend überarbeitet werden“, fordern die Tierschutzombudspersonen in einer gemeinsamen Stellungnahme. Zudem müssen Maßnahmen und Leitlinien für einen einheitlichen Vollzug des Qualzuchtverbotes umgesetzt werden. Hier sehen die Tierschutzombudspersonen das zuständige Gesundheitsministerium in der Pflicht. „In den einzelnen Bundesländern gibt es bereits Bemühungen, den Vollzug in dieser Hinsicht zu verbessern. Das ist sehr erfreulich und ein Schritt in die richtige Richtung“, so die Tierschutzombudspersonen. „Doch braucht es österreichweit gültige Vorgaben und keinen Fleckerlteppich, damit sich die Vollzugsorgane, aber auch die Züchter*innen und Käufer*innen von Tieren auskennen.“
QUEN erleichtert die Bewertung von Qualzucht
Einen wichtigen Vorstoß hat die Tierschutzombudsstelle Wien hier gemeinsam mit anderen internationalen Partner*innen aus Veterinärwesen und Tierschutz geleistet: Mit dem Qualzucht-Evidenz Netzwerk QUEN gibt es nun ein Tool, das Behörden und Tierärzt*innen die Bewertung möglicher Qualzucht-Fälle erleichtert. „Auf QUEN werden fundierte wissenschaftliche Informationen zu zuchtbedingten Defekten und deren Folgen fürs Tier sowie Rechtsgutachten und Gerichtsurteile bereitgestellt“, erläutert die Wiener Tierschutzombudsfrau Eva Persy. „Wir hoffen, dass es mit diesem beispiellosen Projekt gelungen ist, den handelnden Organen nicht nur das gesammelte einschlägige Wissen zu bieten, sondern auch Sicherheit, Maßnahmen zu setzen, wenn eine Zucht tierschutzrelevant ist.“
Tierleid in Zukunft verhindern
Für Quinny und Tausende andere Modehunde mit Qualzuchtmerkmalen kommt jegliche Änderung freilich zu spät. Tiere mit verkürzten Köpfen (Brachycephalie), mit krummen, kurzen Beinen (Chondrodystophie) oder anderen Skelettanomalien (z.B. Hüftgelenksdysplasie), mit extremen Hautfalten, krank machenden Farbschlägen wie Merle oder Dilute oder sogar ganz ohne Haarkleid sind in Österreich allgegenwärtig. „Um die nachkommenden Generationen von Bulldogge, Mops, Australian Shepherd und Co. vor Tierleid zu schützen, muss daher dringend jetzt gehandelt werden“, so die Tierschutzombudspersonen Österreichs.
Wer sich intensiver informieren will kann das am 2.Dezember 2021 tun
Qualzucht ist übrigens auch das Thema des heurigen Tier&Recht-Tags, der juristischen Fachtagung der Tierschutzombudsstelle Wien: Am 2. Dezember 2021 wird die Problematik unter dem Titel „Vererbtes Leid – Wege aus der Qualzucht“ von Vortragenden aus Österreich, Deutschland und der Schweiz beleuchtet.