Zehe abgebissen Freispruch

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Der siebenjährige Staffordshire-Bullterrier-Mix Buma hatte in Berlin Steve S. (28) die Zehe abgebissen, um genau zu sein, den großen Zeh des rechten Fußes, nachdem er von dem Mann getreten worden war. Der Zeh ist übrigens noch immer verschwunden. Der Amtstierarzt Steffen Mehl hat den Hund trotzdem „freigesprochen“. In einem Schreiben hält er am 4 Jänner 2022 fest: „Der Verletzte hat den Hund zweimal durch körperliche Gewalteinwirkung in Ausnahmesituationen versetzt und derart provoziert, dass die schließlich eingetretene Reaktion des Hundes geradezu voraussehbar war. Der Geschädigte hat sich durch sein nicht nachvollziehbares Fehlverhalten die beiden Bissverletzungen selbst zuzuschreiben“. Eine mutige Entscheidung des Amtstierarztes, Juristisch ist der Freispruch daher klar, denn wer ein Tier „gereizt“ hat, haftet für die daraus resultierenden rechtlichen Folgen.

Bei Futter sind Hunde sehr fokussiert

Der Vorfall ist skurril

In Berlin-Hellersdorf treffen sich mehrere Menschen zum Essen in einer Wohnung in der Ernst-Bloch-Straße, darunter auch das spätere Opfer, Steve S, und eben der Hund Buma, der im Verlauf des Abends eine Zehe abbeißen wird. Der Vierbeiner bettelt am Tisch. Steve S. fühlt sich dadurch gestört. Nachdem Worte keine Wirkung zeigen schubst der Mann den Hund. Der Vierbeiner findet das nicht witzig und schnappt zu. Steve S. wird an der Wange verletzt. Der Mann geht ins Bad um seine Wunde zu versorgen. Am Weg zurück zum Esstisch trifft Steve im Flur erneut auf Buma. Vermutlich verärgert weil der Hund nach ihm geschnappt hat, revanchiert er sich mit einem Tritt gegen den Hund. Das war der Moment wo Steve seine große Zehe verlor, die später nicht mehr auftauchen sollte. Buma hat ihm die Zehe abgebissen und möglicherweise auch verspeist.

Der Verletzte hat den Hund zweimal durch körperliche Gewalteinwirkung in Ausnahmesituationen versetzt und derart provoziert, dass die schließlich eingetretene Reaktion des Hundes geradezu voraussehbar war. Der Geschädigte hat sich durch sein nicht nachvollziehbares Fehlverhalten die beiden Bissverletzungen selbst zuzuschreiben

Amtstierarzt Steffen Mehl am 4.Jänner 2022

Der Mann schrie. Das Tier bellte. Buma hatte Steve die Zehe abgebissen. Die anderen Gäste zogen das Tier aus dem Flur durch das Wohnzimmer und sperrten ihn auf dem Balkon aus. Ein Notarzt kam und die Polizei mit Diensthundeführern, die das Tier beruhigen konnten und aus dem Haus führten. Es wurde einem Tiernotdienst übergeben. Bei der Befragung der Anwesenden konnte kein Hundehalter ermittelt werden. Wenn Buma sich nicht selbst eingeladen hat, dann hat ihn sein Zweibeiner verleugnet. Wem der Hund gehört, das weiß man noch immer nicht aber der Vierbeiner wird später vom Amtstierarzt entlastet. Er attestiert ihm zwar, dass er unerzogen und reaktiv ist aber eben nicht aggressiv.

Wenn Hunde „dürfen“ dann betteln sie

Bumas Freispruch wird durchwegs positiv gesehen

In den ersten Leserreaktionen wird der „Freispruch“ sehr positiv bewertet. Die einen sehen den Biss als eine Art Karma, die anderen loben den Mut des Amtstierarztes, der sich pro Hund ausspricht. Viele finden es gut, dass die im Gesetz vorgesehene, Eigenverantwortung zur Anwendung kommt. Eine Leserin sieht die Geschichte allerdings mit gemischten Gefühlen. Sie schreibt: „Ich seh das Urteil mit gemischten Gefühlen. Klar ist treten ein No-Go, aber Zehe abbeißen ist ebenfalls mehr als heftig. Das ist ja kein Schnapper zum Verwarnen, sondern schon ein ordentlicher Biss, dass da der Knochen durchtrennt wird. Ich sags ehrlich, ICH würde so ein Tier nicht mehr haben wollen, das wäre mir zu gefährlich.“ Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn wenn eine Zehe abgebissen wird, ist kein Kavaliersdelikt.

Der Verlust der Großen Zehe bedeutet eine lebenslange Behinderung

Eine abgebissene Zehe ist kein Kavaliersdelikt

Der Verlust einer Großzehe bedeutet eine Behinderung von 10%. Bergsteiger kennen das Problem. Wenn Zehen abfrieren, dann ist das eine lebenslange Einschränkung. Das Gelenk, welches den großen Zeh mit dem Mittelfuß verbindet, das sogenannte Großzehengrundgelenk, ist essentiell für die Abrollbewegung beim Gehen. Wenn der große Zeh fehlt, dann ist man nie mehr „gut zu Fuß“. Die abgebissene Zehe in dieser Geschichte mag witzig klingen, für den Betroffenen ist es aber alles andere als lustig. Noch dazu war die Zehe nicht mehr auffindbar, vielleicht ist sie tatsächlich im Hundemagen gelandet, jedenfalls war keine Zehe da, die man hätte annähen können. Steve wird den Rest seines Lebens ohne Zehe zubringen müssen.

Hunde verstehen wenig Spaß wenn es um Essen geht

Buma kennt anscheinend keine Grenzen

Man kann dem vierbeinigen Täter nicht vorwerfen dass er bettelt. Er hat es vermutlich nie anders gelernt. Betteln am Tisch hat viel mit Grenzen setzen also mit Erziehung zu tun. Viele Hundehalter finden es putzig wenn der Vierbeiner am Tisch so lange treuherzig schaut bis er etwas bekommt. Die meisten Hunde sind auch tatsächlich süß wenn sie betteln. Es gibt aber auch Kaliber, wie Buma, die sehr nachdrücklich Essen einfordern. Das nervt. Wenn man einem „grenzenlosen Hund“ plötzlich die Grenze beim Essen setzen will, dann kann das schief gehen. Steve hat diese Erfahrung gemacht. Buma hat ihn verwarnt. Die Eskalation im Flur war vorhersehbar. Bei beiden, Buma und Steve, dürften die Stresshormone hochgefahren sein. Der eine war sauer weil er nix bekommen hat, der andere weil er einen Kratzer abbekommen hat. Einen Hund zu treten, dessen Cortisol-Spiegel gerade hoch ist, das ist eine ganz dumme Idee. Auch das musste Steve feststellen. Er hätte es wissen müssen – wenn Buma am Tisch keine Grenze kennt, warum sollte er sie im Flur plötzlich respektieren?

Grenzenlose Hunde sind Problemhunde

Erziehung und Grenzen sind das A und O jeder guten Mensch-Hund-Beziehung

Auch wenn die Entscheidung des Amtstierarztes bejubelt wird und vermutlich auch richtig ist, wer möchte einen Hund der eine Zehe abgebissen hat? Die Basis jeder Mensch-Hund-Beziehung ist Vertrauen und Hunde die zubeißen sind nun einmal nicht besonders vertrauenswürdig. Menschen die treten, natürlich auch nicht aber Steve muss ja nicht vermittelt werden, Buma dagegen schon. Doktor Mehl hat vermutlich recht, Buma ist kein aggressiver Hund, er ist nur nicht erzogen und er geht nach vorne, wenn ihm etwas nicht passt. Auf einen neuen Besitzer kommt viel Arbeit zu. Buma muss einen Benimmkurs machen und er muss Grenzen akzeptieren lernen. Es ist definitiv kein erwünschtes Verhalten, wenn ein Hund schubsen mit schnappen quittiert und einen Tritt mit einem Biss. Wir leben eng mit unseren Vierbeinern zusammen also müssen diese „robust“ sein und menschliches Fehlverhalten tolerieren können. Das ist kein Freibrief für Tierquäler aber der Hund darf nicht Richter und Henker sein.

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